Ludwig Tieck
Ludwig Tieck (1773-1853) wurde von den Zeitgenossen als „König der Romantik“ (Friedrich Hebbel) anerkannt und doch Zeit weckte sein unbestrittens Talenz seines Lebens und noch lange danach parteiischen Widerspruch.
Als die romantische Bewegung in Jena begann, gehörte er dort zu der Gemeinschaft von Intellektuellen, Philosophen, Literaturkritikern, Schriftstellern, die eine neue Epoche der Literatur begründen wollten – und begründeten: die Romantik. Dass Tieck neben Novalis der bedeutende Dichter der Romantik sei, bezweifelten nicht einmal seine Gegner. ‚Waldeinsamkeit‘, ein von ihm neu geprägtes Wort, oder auch die Motivformel von der ‚mondbeglänzten Zaubernacht‘ wurden zum Inbegriff des Romantischen schlechthin, auch im Missverständnis.
In seinem langen Leben und Wirken bewahrte Ludwig Tieck das romantische Erbe gegen triviale Vereinnahmungen, indem er es weiterentwickelte: In seiner großen Novellensammlung Phantasus (1812-16) und in seinen, in seiner Dresdner Zeit seit 1819 entstandenen Novellen. Als vielfach angegriffener Dramaturg am Dresdner Hoftheater kämpfte er für einen veränderten Kanon und eine anspruchsvolle Inszenierungspraxis.Die von ihm mitgetragene Schlegel-Tiecksche Shakespeare-Übersetzung machte den englischen Nationalautor bei den Deutschen fast populärer als in England. Seine Musteraufführung von Shakespears Sommernachtstraum mit der Musik von Felix Mendelssohn in den 1840er Jahren im Schlosspark von Sanssouci verwirklichte die romantische Idee des Gesamtkunstwerks. Dass die ‚romantischen‘ Impulse von Malern wie Philpp Otto Runge und Caspar David Friedrich aufgenommen wurden, ist nicht zuletzt Tiecks Vermittlung zu danken; mit dem Komponisten Carl Maria von Weber war er in Dresden in Verbindung.
Streitbar lag er in Fehde mit den Autoren des Jungen Deutschland, ohne sich deshalb einer Gegenpartei anzuschließen; Ludwig Tieck wollte ein Leben für die Poesie leben, unbeeindruckt von engen Konventionen und den wechselnden Moden des Zeitgeistes: „Den Dichterischen“, so hat sein Biographie Rudolf Köpke resumiert, „war er zu kritisch, den Kritischen zu dichterisch, den Protestanten zu katholisch, den Katholiken zu protestantisch, den Aufgeklärten seiner Jugend zu religiös, den Frommen seines Alters zu aufgeklärt, den Liberalen galt er für servil, den Legitimen für einen Oppositionsmann.“
Die Familie Tieck
Die Familie Tieck gehörte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu denen, die die deutsche Kultur mitgeprägt haben. Die drei Kinder des Handwerkermeisters Johann Ludwig Tieck stehen für die soziale Mobilität um 1800 ein, nicht nur der Sohn Ludwig Tieck mit seinem Dichterruhm. Freilich hatten es die Geschwister Ludwigt Tiecks im Schatten des berühmten Bruders nicht leicht. Sophie Tieck (1775-1833), die Schwester, erkämpft sich ein selbstbestimmtes Leben, in einer damals geradezu berüchtigten Scheidungsaffäre; schließlich heiratet sie den baltischen Baron von Knorring. Eine breite Anerkennung für ihr literarisches Werk blieb ihr versagt; ihre Briefe werden jetzt erst im Rahmen der Dresdner Tieck-Ausgabe vorgelegt und ihre Biografie bleibt zu schreiben. Friedrich Tieck (1776-1851), der jüngere Bruder, war als Bildhauer angesehen; er schuf Reliefs für das Statdschloß in Weimar, war geschätzt für seine Porträtbüsten, erhielt so auch Aufträge des bayerischen Königs Ludwig I. für dessen deutsche Ruhmeshalle Walhalla und arbeitete in Berlin mit Friedrich Schinkel zusammen. Doch ein glückliches Leben hatte Friedrich Tieck nicht; seine späte Ehe mit einer sehr viel jüngeren Frau verlief skandalös, Schulden und Krankheit bedrängten ihn im Alter. - In der Folgegeneration ist Ludwig Tiecks Tochter Dorothea (1799-1841) bedeutend als Übersetzerin Shakespeares; doch sie wurde nur als ‚mitwirkender Freund‘ öffentlich gewürdigt, führte ihr Leben als loyale Tochter des Hauses, als Helferin des Vaters. Erst in jüngerer Zeit erlauben Briefveröffentlichungen einen anteilnehmenden Blick auf dieses Frauenleben in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Die Internationale Tieck Gesellschaft wurde deshalb ausdrücklich nicht als ‚Ludwig Tieck Gesellschaft‘ gegründet; vielmehr will sie die Aufmerksamkeit auch auf diejenigen Mitglieder der Familie lenken, die bei den Mitlebenden und der Nachwelt nicht hinreichend und Anteil nehmend gewürdigt wurden.