Was zeichnet uns aus?
Von Julia Gläßer
Mit dem Thema „Die TIECKs. Familie der Künste“ veranstaltete die Internationale Tieck-Gesellschaft vom 17.10. bis 18.10.2014 eine erste konstituierende Konferenz, um interdisziplinär verschiedenste Diskurse zu diskutieren sowie neue Forschungsprojekte innerhalb der Tieck-Forschung vorzustellen.
Die Tieck-Gesellschaft hat es sich zum Ziel gesetzt, nicht nur Ludwig Tieck, den „König der Romantik“, sondern ebenso seine Geschwister Sophie und Friedrich, wie auch seine Tochter Dorothea Tieck einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen. Jedes einzelne hier aufgezählte Familienmitglied besitzt eine sehr eigene Biographie, die vor dem gesellschaftshistorischen Hintergrund bedeutende Persönlichkeiten und Repräsentanten ihrer Zeit formten.
Die Tagung begann am Freitag mit Fachvorträgen zum literarischen Schaffen Ludwig Tiecks. Weitere Beiträge aus kunstgeschichtlicher und musikwissenschaftlicher Perspektive ergänzten das Bild von Ludwigs als auch Friedrichs Kosmos.
Nach einer kurzen Pause am Nachmittag (und der Klärung der Frage, ob alle Referenten aufgrund des dreitägigen Bahnstreiks ihre Heimfahrt antreten können), trafen sich am Abend im Museum der Dresdner Romantik Tagungsteilnehmer und interessierte Dresdner, um am öffentlichen Teil der Tagung teilzunehmen. In Anknüpfung an die großen Dresdner Romantiker Carl-Gustav Carus und Carl Maria von Weber, bot das wunderbare Museum mit seinen ausgesuchten Ausstellungsstücken und der intimen Atmosphäre dafür den perfekten Rahmen.
Prof. Walter Schmitz läutete den Abend mit der Vorstellung des Projektes der Dresdner Tieck-Ausgabe ein. So soll das Gesamtwerk Tiecks in insgesamt 39 Bänden in den kommenden Jahren erscheinen. Zusätzlich zu sämtlichen Werken Tiecks sowie Übersetzungen und Editionen in Auswahl wird eine historisch-kritische Ausgabe der Briefwechsel Ludwig Tiecks (6 Bände Text, 3 Bände Kommentar) erscheinen.
Die komplexen innerfamiliären Beziehungen der Tiecks wurden in den folgenden Vorträgen in den Mittelpunkt gerückt. Obwohl begabt und ambitioniert, rieb sich Friedrich Tieck, der jüngste der drei Geschwister, scheinbar ruhelos zwischen persönlichen Idealen, Vorstellungen und Lebenswelten von Ludwig und Sophie auf. Während sich Sophie Tieck zwischen gesellschaftlichen IST-Zuständen, Konventionen und Moralvorstellungen bewegend eine eigene, stückweise emanzipierte Lebenswirklichkeit schuf, hielt sich Dorothea Tieck als sprachbegabte, talentierte Frau im Schatten ihres Vaters Ludwig Tieck.
Der Samstagvormittag stand ganz im Zeichen aktueller Forschungsprojekte und Perspektiven. Es wurden Ein- und Ausblicke bezugnehmend auf gegenwärtige Projekte (Rekonstruktion der privaten Bibliothek Ludwig Tiecks; das digitale Editionsprojekt „Briefe und Texte aus dem Intellektuellen Berlin um 1800“; Vorüberlegungen zu einer kritischen Schlegel-Tieck-Shakespeare- Ausgabe) gegeben und diskutiert.
Dabei wurde in den Gesprächsrunden verstärkt zum Ausdruck gebracht, dass progressive Digitalisierungsprojekte in Bezug auf ihre Nachhaltigkeit deutliche Mängel aufweisen. Können digitalisierte Editionen ihre gedruckten, greif- und fühlbaren Pendants vollständig und vorbehaltlos ersetzen?
Die Tagung war ein voller Erfolg, eine Anschlusskonferenz wird innerhalb der nächsten 2 Jahre in Wien folgen.
Mit dieser ersten Konferenz wurde ein wichtiger Schritt getan, das Leben und Wirken der „Familie der Künste“ zu rekonstruieren, zugänglich zu machen und gleichzeitig die kulturgeschichtlich herausragende Relevanz der Tiecks zu unterstreichen.